Klangwellen & Traumwelten

Jugendhausausstellung im Alten Rathaus in Gerolzhofen

Lange schon schlummerte die Idee einer Jugendhaus-Ausstellung im Reich der Wünsche und Vorstellungen! Man mag sich fragen, was ein sozialer Treffpunkt, der Jugendlichen vorbehalten ist, überhaupt an ausstellbaren Exponaten zu bieten hat? In der Tat liegt der Schwerpunkt des Hauses nicht darin, Ausstellungen zu produzieren, sondern dient dazu, den Freizeitbereich von Jugendlichen zu gestalten, das Ganze verpackt im Konzept der sogenannten “offenen Jugendarbeit”.

Primär heißt dies: Die Pforten des Hauses stehen allen Jugendlichen offen, ganz jenseits von konfessioneller, religöser, weltanschaulicher Orientierung, egal welcher ethnischen, regionalen, oder nationalen Herkunft und auch ohne eine klar definierte Thematik (die Briefmarkensammler, die Fußballer….) als gemeinschaftliches Motto vertreten zu müssen.
Somit ist das Jugendhaus vorrangig ein Treffpunkt, der der Kommunikation und Interaktion zwischen Teenagern dient, und in zweiter Linie ein Ort, an dem man seine Freizeit, in durchaus individueller Prägung, gestalten kann. Gleichzeitig ist das Jugendhaus keine Plattform, um ungetrübt Dominanzverhalten, Unterdrückungsmechanismen, Drogenexzesse, radikale Weltanschauungen und ähnliches mehr, ausleben zu können – auch hier herrscht ein verbindlicher Grundkonsens, der das soziale Zusammentreffen reguliert! Unter der Prämisse einer äußerst “bunt” zusammengewürfelten Belegschaft, in Kombination mit der, in Relation zur Größe des Hauses/Geländes, dürftigen Ein-Mann-Besetzung, lassen sich, auf die Bedürfnisse der aktuellen Belegschaft zugeschnitte Freizeitangbebote eher schlecht, oder gar nicht, realisieren. Was nicht heißen soll, dass es dererlei nie gab und genau diesen Umstand, wenigstens in Teilaspekten, soll Ihnen diese Ausstellung vermitteln.

Einer der beiden umfangreicheren Bereiche kreativer Freizeitgestaltung im Jugendhaus, sind fotografisch festgehaltene Selbstinszenierungen. Hierbei war von großer Bedeutung, dass ein inspiriender Rahmen vorhanden sein musste, um die, ausschließlich freiwilligen, Teilnehmer entsprechend animieren zu können. Die oftmals geäußerte Vorstellung, man könne im Bereich der offenen Jugendarbeit Teilnehmer dadurch gewinnen, indem man Angebote einfach nur publiziert (Donnerstag, 19 Uhr, Häckelgruppe….) funktioniert, meiner Erfahrung nach, überhaupt nicht.

Im speziellen Fall der Fotoworkshops war somit meine Aufgabe, ein entsprechend animierendes Setting zu schaffen, d.h. einen Raum entsprechend umzugestalten (Ausräumen, mit Stoffen ausdrapieren, vorher gebaute Kulissen platzieren, eine Wand zur Selbstsicht verspiegeln…) und natürlich für die notwendige Fototechnik zu sorgen. Es liegt auf der Hand, dass speziell die technischen Mittel, bedingt durch die finanzielle Situation, sich eher auf primitivem Niveau bewegten. Als Lichtquellen wurden beispielsweise, für diesen Zweck relativ ungeeignete, auf ausrangierte Schlagzeugbeckenständer montierte, Halogen-Bauscheinwerfer verwendet. In der Regel brachten die Teilnehmer ihre eigenen Ideen und die zur Umsetzung benötigten Requisiten selbst mit. Auf die Art der Selbstdarstellung und die Frage “Wer mit Wem?” nahm ich keinerlei Einfluss, genauso wie es nie nötig war, Fantasien und Vorstellungen auszubremsen oder gar abzublocken! Auf diese Art entstanden äußerst fassettenreiche Individual- und Gruppenportraits, die natürlich primär dem Selbstzweck der Abgelichteten zur Verfügung standen. Am Umfang der Resonanz der Fotoworkshops ließ sich schnell ein Rückschluss auf die Sinnhaftigkeit des Angebots bilden – die Nachfrage
stieg beständig!
Der größte Teil der Bilder stammt aus Zeiten analoger Fotografie, benutzt wurde Halogenkunstlicht-Diafilm, was die Möglichkeit nachträglicher Bearbeitung, unter den gegebenen Bedingungen, leider ausschloss. Mit dem schnellen Fortschreiten digitaler technischer Möglichkeiten boten sich Mittel und Wege, um auf Celluloid gebannte Fotografien in digitale Dateien zu wandeln. Von da ab öffnete sich ein weites Feld, das Korrekturen und Nachbearbeitungen an Fotos zuließ, und das auch dem Laien zur Verfügung stand – allerdings mit entsprechendem, oftmals erheblichen, Zeitaufwand verbunden.

Der andere umfangreiche Aspekt dieser Ausstellung behandelt den Bereich Musik – im Besonderen: jugendspezifischer musikalischer Betätigungen, in sehr vielfältiger Art und stilistischen Äußerungsformen. Anders als bei den Fotoworkshops musste hierbei kein animierender Anstoß gesetzt werden – dieser war bereits vorhanden und verlangte eher Förderung und Unterstützung. Aus diesem Grund wurde bereits kurz nach dem Einzug ins neue Jugendhaus, Bahnhofstraße 20, ein Proberaum im Keller in Angriff genommen, der nach wie vor besteht und in dem, im Lauf der Jahre, auch einige Soundkonserven entstanden sind. Im Weiteren bedeutete dies: Konzerte und Open-Airs ermöglichen und durchführen, Promotion und Merchandise unterstützen (Flyers und Plakate entwerfen, vervielfältigen, cutten, verteilen; Veranstaltungsmagazine und Radiosender beliefern; bei Konzerten das Jugendhaus entsprechend ausräumen; Sound- und Lichttechnik klarmachen; Kassen-, Theken-, Aufräum- und Putzdienst organisieren…).

Auf unserer Homepage können Sie sich in zahllose Soundbeispiele aus dem Lauf der Jahre einhören, und wer jenseits von aller indivdueller Geschmacklichkeit noch “offene Ohren” sein eigen nennt, wird erstaunliche Sounds seine Trommelfelle kitzeln fühlen! Natürlich ist jugendspezifische Musik oftmals laut, ungehobelt, gegebenenfalls dreckig, eckig, provokant und wild – ich darf aber daran erinnern, dass die Musik, die früher als Fanal für den “Untergang des Abendlandes”, “Katzengejaul”, “Hottentottenmusik”… begriffen wurde, schon längst bei öffentlichen Festivitäten, auch in Gerolzhofen, zum Besten gegeben wird und trotzdem der Untergang des Abendlandes bislang auf sich warten lässt! Zum anderen konnte ich über die Jahre immer wieder beobachten, dass die, die sich musikalisch austoben (und wenn dies noch so brachial klingen mag), auf keinen Fall die sind, die in der Bushaltestelle die Scheiben zertreten, Mülleimer demolieren oder sonstigen destruktiv-dämlichen Unsinn betreiben!

Summa summarum meine ich, bedingt durch meine lange Tätigkeit im Jugendhaus, behaupten zu können, dass gerade jugendkulturelle Angebote und Betätigungen, besonders nachhaltig wirken. Zumindest habe ich solches aus vielen Gesprächen mit ehemaligen Besuchern, selbst nach vielen Jahren noch, heraushören können. Ob es Erinnerungen sind an Konzerte, die lange zurück liegen, oder ich danach gefragt werde, wann wieder Fotosessions anstünden, oder auch der relativ schonende Umgang mit der Einrichtung und dem Interieur des Hauses (da in der Regel zusammen mit oder von Jugendlichen gestaltet), sind tatkräftige Beweise für diese Sichtweise. Der sozialisierende Effekt unter den (Ex-)Besuchern scheint diesbezüglich auch erheblich dauerhafter zu sein und nicht wenige haben mir vermittelt, dass sie durchaus Aspekte aus den jeweiligen Betätigungsfeldern „mit nach Hause nahmen“ und im Laufe der Zeit für sich weiter entwickelten.

Abschließend kann ich der Jugend nur wünschen, dass sie vor allem von den Machenschaften der Erwachsenenwelt verschont bleiben möge. Die weit verbreitete Sichtweise, dass Kinder und Jugendliche eine Art autarke Subgemeinschaft innerhalb der Gesellschaft darstellten, lehne ich ab. Kinder und Jugendliche sind viel eher ein Spiegelbild der Erwachsenenwelt und leben dies auf entsprechend kindliche, oder spezifisch jugendlich übersteigerte Form aus, mitdem einen Unterschied, dass letztere kaum die Mechanismen durchschauen können, die ihnen von den Erwachsenen als Alltagswelt präsentiert werden. Negative Aspekte, die in den letzten Jahren vermehrt in Erscheinung traten, wie ein besorgniserregendes Absacken der Allgemeinbildung, teilweise nur noch rudimentär vorhandenes Sprachverständnis, exzessiver Jugendsuff und Drogenmissbrauch bei Minderjährigen, Sozialverhalten, das durch sogenannte „social media“ in bizarre Bahnen gelenkt wurde…, sind definitiv nicht Produkte der Betroffenen selbst, sondern Resultate einer zumeist am Gewinn orientierten Erwachsenenwelt. Sollte man wirklich etwas bewerkstelligen oder ändern wollen, müsste genau an diesem Punkt angesetzt werden.

Bemerkenswerterweise ist anscheinend der Jugend eines ihrer Hauptmerkmale abhanden gekommen – Oppositionsgeist, Hinterfragen gängiger Normen oder Entwickeln neuer Sichtweisen sucht man derzeit eher vergebens. Aktuell gelebter juveniler Livestyle scheint vielmehr den “Super-Erwachsenen”, im Sinne von: “Ich konsumiere, also bin ich!”, als Vorbild zu hegen.

Wie gesagt, zumeist in jugendlich übersteigerter Form – taten früher ein, zwei Tattoos dem Genüge, so meint der Teenie, dass dazu flächdeckende Ganzkörpertätowierung (paid by Daddy) nötig sei. Ähnliches lässt sich auf vielen Ebenen beobachten: die Dicke-Hose-
Karre als Erstwagen, kiloweise Piercings, Status-
definiton über Markenklamotten, Komasuff usw., scheinen mir primär der verzweifelte Versuche zu sein, in einer völlig reizüberfluteten Erwachsenenwelt überhaupt noch auffallen zu können. Wir, die Erwachsenen, sollten nicht vergessen, dass Kinder und Jugendliche es sein werden, die bereits in kurzer Zeit unser aller Geschicke, ob familiär, regional, national, oder auch global, lenken werden und nicht langsam ein Ruck, der das Land aus seinem Dornröschenschlaf rüttelt, vonnöten ist!